Aquaplaning Logbuch
materialsammlung
zeit: 21. April 2002, 13 uhr
ort: Donauauen, tümpel in der Lobau, nähe Lobaumuseum
methode: mehrere marmeladegläser und ein plastiksack werden mit schlamm und anderem material (bodensatz) vom grund des tümpels gefüllt. in einen 5l kanister fülle ich wasser desselben, wobei möglichst viele tiere mitgenommen werden sollten.
ausgangssituation
5 gläser werden mit material von der sammelstelle gefüllt. zufallsprinzip welche zusammensetzung von inhalt in welcher konzentration in welchem glas sich wiederfindet. annähernd gleiche ausgangsbedingungen. interessant wird somit die (unterschiedliche) veränderung sein. die gefäße sind zu ca. 3/4 ihres volumens mit wasser, zu 1/4 mit festem material (schlamm, laub, zweige) gefüllt.
ein weiteres glas, das bereits seit jahren existierte, aber nur mehr geringe anzeichen von leben aufwies, wird mit frischem material 'wiederbelebt'. das große glas aus der ausstellung von 1986, welches inzwischen völlig ausgetrocknet war, ebenso.
provisorische bestandsaufnahme zu beginn des projekts
fauna: wasserkäfer, laich (einige wenige bereits geschlüpft, der großteil noch in eiern), wasserflöhe, gelsenlarven en masse, schnecken, würmer (lange dünne, winzige weiße), krebschen, raupenartige, mit freiem auge kaum mehr sichtbare 'fischchen' in schwärmen
flora: hahnenfußgewächs, wasserlinsen
als notwendige ergänzung sollten noch wichtige pflanzen ergänzt werden, um den ökologischen kreislauf (sauerstoffproduktion, frischpflanzen) zu gewährleisten. dazu kam es bislang allerdings nicht mehr.
zu ausstellungsbeginn sind die biotope exact ein monat alt und es herrscht nach wie vor reges leben.
logbuch (auszüge)
26.4.2002
nach knapp 1 woche sind 2/3 der biotope gekippt. die mückenlarven sind verschwunden, ebenso das kleintiergewimmel. an der wasseroberfläche treibt widerlich stinkender schleim. das wasser hat sich bräunlich verfärbt. dafür scheint das leben in jenen gläsern, die anfangs eher leblos leer erschienen, zuzunehmen.
13.5.2002
zwei der gekippten gefäße sind an der glaswand so dicht mit einer braunen schicht bedeckt, daß ein blick ins innere nicht möglich ist. in den anderen gläsern entwickelt sich dagegen reges leben in sehr unterschiedlicher form. eine kaulquappe taucht auf. der taumelkäfer taucht nach wie vor munter auf & ab.
10. Mai 2002
als ergänzung des vorhandenen materials bzw. zur auffrischung & regeneration der gekippten biotope wird von einem tümpel am Himmel (Wien XIX) weitere biomasse (4 marmeladegläser) entnommen. insbesondere finden sich diesmal zahlreiche wasserasseln und schnecken mit einem fellartigen weißen bewuchs.
17.5.2002
der dichte belag an einigen gläsern ist fast zur gänze verschwunden und somit die sicht in deren inneres wieder weitestgehend gewährleistet. das leben in den sechs gläsern entwickelt sich gleichmäßig wenngleich sehr unterschiedlich hinsichtlich der häufigkeit einzelner lebewesen. trotz der fats gänzlichen abwesenheit von pflanzen als sauerstoffproduzenten scheint sich der ökologische kreislauf in ausreichendem maße selbst zu erhalten.
bestandsaufnahme
definitiv festgestellte pflanzen & tiere, soweit für einen laien identifizierbar (relativ unsystematisch)
Rädertiere (Rotatoria): Asplachna, Notholca
Ruderfußkrebse (Copepoda): Hüpferling (Cyclops; 3-4mm), Eudiaptomus
Wasserflöhe (Cladocera): Daphnia (Simocephalus vetulus od. Daphnia pulex; 1-2mm)
Zooneustron: Flohkrebs (Gammarus pulex), Muschelkrebs (Cypris), Wassermilbe (Hydrodroma), Wasserassel (Asellus aquaticus)
Algen: Fadenalgen, Phytoplankton, Cryptomonas
sowie: Schnecken (Anisus contortus),
Stechmückenlarve (Culex),
Eintagsfliegenlarve (Cloeon) od. Steinfliegenlarve (Chloroperla),
Schlammröhrenwurm (Tubifex),
Kaulquappe (Ranidae),
Taumelkäfer (Gyrinus)
u.v.a.m.
anmerkungen
es werden nur voraussetzungen geschaffen. der rest geschieht von selbst. was geschieht wird bildlich festgehalten. da kommt es noch auf den blickwinkel an. die art des blicks schafft bedeutung.
eine vielfalt von lebewesen unterschiedlichster form bewegen sich in verschiedenen bewegungen und geschwindigkeiten fort. ein wurm windet sich elegant aber vorsichtig über fragmente versunkener blätter & zweige. ein käfer saust eilig von der oberfläche in die tiefe, wieder nach oben. die insektenlarven sinken langsam ab, dann wieder hektisch sich knickend zurück nach oben. wasserflöhe bewegen sich zuckend in alle richtungen. es herrscht pulsierendes leben wie in einer großstadt.
video still, stehendes bild. nur scheinbar der stillstand. sich (in sich) bewegende standbilder. schwenk von einem bild zum nächsten verharrt in einem blickwinkel. fixiert einen moment der bewegung. ein schwenk um den falschen drehpunkt verändert die achse von der senkrechten zur schräge. unter wasser spielt das nicht unbedingt eine rolle.
ein beliebiger ausschnitt aus dem mikrokosmos, eine zufällige komposition. die dimensionen zerfließen zwischen mikro & makro. bilder wie märchenwelten, sciÐfiÐszenarien.
die tiefenschärfe bzw. der fokuspunkt erst findet die ebene auf der dinge sichtbar werden. auf den 1. blick ist nichts erkennbar. ich sehe nichts, wenn ich auf die falsche entfernung/ebene scharf stelle, selbst wenn ich in die richtige richtung blicke.