Armin Bardel
NEID & EIFERSUCHT
erschienen im Sterz Nr. 83

sozialpsychologische betrachtungen verschiedener aspekte zweier verwandter phänomene. diese werden in weiterer folge - soweit gemeinsam genannt - mit ihren initialen N&E abgekürzt

motive des begehrens
oder: woher weiss ich, warum ich was will?

nicht jedes bedürfnis ist auf wirklichen bedarf zurückzuführen. vielmehr ist ein verlangen umso grösser nach völlig unnötigem, nach dem, was nicht gebraucht wird oder was mir nicht zusteht. unwiderstehlicher reiz des verbotenen, unerreichbaren.

das eine & das andere

neid um das andere, welches ja bekanntlich/vermeintlich stets besser ist als das eine, eigene, das, was mannfrau eh schon hat. wie immer der anlassgegenstand des neides beschaffen sein mag, jedenfalls anders. das anders sein ist gewissermassen seine wesentlichste eigenschaft.

was mir fehlt,
will ich so sehr,
und was ich hab,
das will ich los sein.

drunt im tal da will ich rauf
in luft'ge bergeshöh;
doch am gipfel stehend will ich
nix als wieder runter.
"hoch am gipfel stehend träum ich
vom tiefen sanften tal."

das anderssein macht interessant, be- oder ver-, jedenfalls achtenswert, begehrenswert oder verwerflich. bedeutung des bedeutungslosen - selbst der grösste schmarrn wird zum besonderen erhoben. genötigt durchs unnötige/zum unnötigen. kritik wie lob wurzelt nicht selten in der eigenen unfähigkeit, etwas zu stande zu bringen.

das meine & der andern gut

frei nach L.W.: begehrt ist alles, was nicht mein ist. hängen an den dingen, die ich habe, wird verhängnisvoll, wenn andre danach trachten, dieselben zu bekommen. ebenso umgekehrt: wenn mir etwas an dingen liegt, die mir nicht gehören, wird's brenzlig.

wer nicht begehrt des andern weib, wird nie geniessen ihren leib.
wer nicht begehrt des andern gut, wird niemals ernten dessen wut.

sehnsucht & begehren wachsen zudemmit der unerreichbarkeit: je ferner das ziel, umso grösser die herausforderung, der drang es zu erreichen. die entbehrung mag qualvoll sein und das verlangen unbezwingbar - das begehrte bleibt dennoch unerreichbar. sollte es doch jemals erreicht werden, tritt sofort ein nächstes auf. zum beispiel fliegen werden wir ohne technische hilfsmittel nie so richtig können. mangelnde reflexion führt in derartigen fällen gelegentlich zur ununterscheidbarkeit zwischen wunschm & wirklichkeit mit schmerzhaften folgen.

objekte der begierde
oder: woher weiss ich, was ich will?

die objekte von N&E können sowohl materieller als auch geistiger natur sein, gewissermassen physisch oder metaphysisch. dass verlangen sich primär auf materielle dinge oder substantiell manifestierte adjektive (schneller, besser, schöner, grösser, teurer, ... ) und weniger auf geistige oder ethische werte richtet, liegt vermutlich daran, dass man geistige dinge nicht so gut angreifen kann.

ich beneide dich um
dein berückendes aussehen,
dein güldenes, lockiges haar
nicht minder um dein flottes car

ich will schnell sein wie ein windhund, hart wie stahl und zäh, fliegen wie ein vogel, so viel holz vorm haus wie Pam, schön sein wie Claudia, stark wie Arnie, reich wie Bill G. und begehrt wie Bill C. oder Mick J., berühmt wie Elvis, mächtig wie George, vielversprechend erfolgreich wie Frankie, tot sein wie Di.
haus mit garten = eigenheim + auto. der tolle schlitten meines werten herrn kollegen ist doch gar nichts gegen den was ich mir jüngst erstanden: cabrio, metallisˇe, voll-automatique, klimagekühlt, lederbestuhlt, etc. da schaust! oder gleich luxusvilla & nobelkarosse samt chauffeur, landbesitz samt landsitz inclusive butler, zofe, haus & hofstaat. my home is a castle. der hübsche schrebergarten am stadtrand mit einem heer von gartenzwergen, das weekendhouse im grünen. geld & macht ganz allgemein, grosses ansehen in gehobenen kreisen, gediegene gesellschaft, noblesse oblige. endlos viel zeit, freizeit nicht arbeitszeit, versteht sich. dolcevita, dolcefarniente. l'amour. love, sex & drugs & rock'n roll. liebe & zuneigung, freilich nicht oder nicht ausschliesslich aufgrund einiger der vorhergehenden faktoren.
reich beneidet arm ob bescheidenheit: "wenn Du nichts hast, hast Du nichts zu verlieren." wer kein geld hat, braucht sich nicht den kopf zu zerbrechen, wie er/sie es ausgibt. kein geld, keine buchhaltung. wer kein wasser hat, braucht sich nicht zu waschen, wer keine schuhe hat braucht sie nicht zu putzen und wer nackt ist hat keine schmutzige kleidung. wie gut, dass manche nichts zu fressen haben - die sind nicht fett, die bleiben schlank. Alexander der Grosse beneidete Diogenes um sein fass. Marie Antoinette beneidete die einfachen bauern und liess sich im schlosspark von Versailles einen bauernhof bauen. (trotz ihrer verehrung des landlebens liess sie das volk nicht lang leben.) touristen beneiden die bergbauern um ihre gesunde naturverbundene lebensweise in der wunderschönen landschaft. der masochist beneidet den leidenden. beneidenswert die unsterblichen, weil denen nichts & niemand je etwas anhaben kann. beneidenswert die toten, die haben's schon hinter sich, die können nimmer sterben. nicht beneidenswert die untoten, die müssen ewig leiden. fragt sich noch, ob die toten die lebenden beneiden, gerne weiterleben würden? und wie verhält es sich in dieser hinsicht wohl mit den ungeborenen oder den abgetriebenen?

formen der aneignung
oder: wie erreiche ich was ich will?

Du beneidest jemanden um etwas? da hat einer was, was Du nicht hast, aber unbedingt gerne hättest. Du bist unglücklich weil eifersüchtig? well, baby: hol' es Dir!
neben der frage, worum ich jemanden beneide, d.h. worauf ich eigentlich eifersüchtig bin, bzw. warum dies denn der fall ist, interessiert uns natürlich vor allem eines: wie komme ich an die sache ran?
es soll menschen geben, die zwar sehr scharf auf so manches und folglich schrecklich neid- & eifersüchtig auf andere sind, jedoch absolut nicht das geringste unternehmen, um sich ihre wünsche zu erfüllen. für sie erübrigt sich die frage. für alle anderen gibt es sehr unterschiedliche wege, sich das gewünschte anzueignen. diese sollen im folgenden kurz umrissen und können natürlich auch gerne ausprobiert werden. nur nicht traurig sein, wenn es nicht gleich auf anhieb klappt!

viele dinge und nach wie vor nicht selten auch menschen lassen sich käuflich erwerben, vorausgesetzt, dass die mittel dazu vorhanden sind. in den meisten fällen reichen diese aber nicht aus, um all das zu bekommen, was das herz begehrt. manches erreichst Du mit geduld, ohne aktiv irgendetwas dazu tun zu müssen. einfach warten, und es fällt Dir in den schoss. das alter z.b.: was tut einer schon dazu, alt zu werden, ausser am leben zu bleiben? das ist - vor allem heutzutage (und) unter günstigen voraussetzungen - keine kunst. viele sind bloss zu feige, sich das leben zu nehmen! andererseits: wer beneidet schon die alten? ist es überhaupt erstrebenswert alt zu werden? nicht um das alter, vielmehr wird jemand bestenfalls um seine lebens-erfahrung (den sog. erfahrungsschatz) beneidet. da könnte man schon aktiv einiges dazu beitragen, denselben zu erweitern, wenn man wollte. spannend zu sehen, welche schätze sich da so anhäufen, welche erinnerungen, weisheit & erkenntnis überwältigender vergangenheit. aber das führt hier leider zu weit.
so warten, harren zahllos massen auf den augenblick, da das goldene kücken schlüpft. wer auf solche art & weise nach höherem trachtet, wird am ende nicht sonderlich enttäuscht sein, wenn nichts draus wird. oder wenn die kücken mit der zeit ihre farbe ändern.

verborgene qualitäten
oder: übung macht den meister

in jedem schlummert ein talent,
vielleicht gar ein genie?
es zu entfalten ist
nur wenigen vergönnt -
c'est la vie!

"was hat er, das ich nicht habe" - oder vielleicht doch (noch irgendwo hervorzaubern könnte)? möglicherweise ist das - weil abwesend - vermisste gar nicht inexistent, sondern schlummert lediglich gut verborgen tief in uns drin und wartet nur darauf, entdeckt zu werden. verborgene talente, qualitäten, die wir uns einfach nicht zutrauen, uns deshalb gar minderwertig fühlen, etc.?
die bekannte reaktion: "das kann jeder/ich auch/schon längst!" vielleicht mit dem hintergedanken: "ich zeig's euch bloss nicht (weil es mir zu blöd ist/ich es nicht nötig habe, euch etwas zu beweisen)".
nach einer lektion in positivem denken oder autogenem training und dadurch gestärktem selbstbewusstsein folgt das statement: "ich werd es euch zeigen!", folglich: "ihr werdet (es) schon sehen!"

durch entsprechendes training kannst Du Dir also manches aneignen, den lauf der dinge beschleunigen. üben, üben, üben! Du weisst: "was hänschen nicht lernt, ..." und "dem fleissigen gehört die welt". denn wer will nicht die welt beherrschen?

forciertes bemühen/forcierte 'anstrengung'

manches erreichst Du eben (nur) durch harte arbeit & intensives bemühen. bei der durchsetzung gewisser individueller interessen ist ehrliche, brave arbeit allerdings meist nicht sozielführend wieweniger korrektes vorgehen. da sind list & tücke schon allemal erfolgversprechendere voraussetzungen. den korrupten & skrupellosen gehört die welt! je hinterfotziger, desto besser. in einzelnen fällen wird auch gewalt nicht nur hilfreich, sondern unverzichtbar sein. N&E gebären hass und hass gibt ungeahnte kraft & stärke. besonders bspw. im familiären resp. partnerschaftlich-zwischenmenschlichen bereich, aber auch auf staatlich-politischer ebene wird mit vorliebe zu solchen brachialeren methoden gegriffen.
dem nachbarn gilt's den landstrich abzuluxen. einmal der grösseren radieschen, ein andermal anderer bodenschätze wegen, oder einfach, um klare verhältnisse zu schaffen. die truppen haben die grenze überschritten. auf höherer ebene werden solche massnahmen als (volks-)wirtschaftliche notwendigkeit erklärt ... . wenn ein/dieses volk sich was recht herausnimmt, tun wir es ebenso. was nicht zuletzt eine frage der gegenseitigkeit ist: ein schwacher gegner, der sich schnell geschlagen gibt, erfordert keine allzugrossen anstrengungen. dagegen wird man einem stärkeren gegenüber im zweifelsfalle lieber etwas gönnen, worauf man selbst gerne anspruch erhoben hätte.
nicht umsonst oder allein ihres erfolges wegen beneiden wir erfolgreiche menschen, sondern vielmehr aus bewunderung, ja begeisterung für ihre rücksichtslosigkeit & härte. dies beweisen eindeutig die massen von couch & kinos füllenden verehrerInnen starker typen. doch nicht nur im film oder computerspiel, auch draussen im wirklichen leben gibt es sie. sie sind beliebt, gewinnen wahlen und sind einfach nicht mehr wegzudenken. erfolg macht sicher!

vernichtung / auslöschung
oder: beseitigung der konkurrenz

eine nicht zu vernachlässigende option zur bekämpfung von N&E ist die beseitigung ihrer auslösenden faktoren. anstatt - mit welchen mitteln auch immer und womöglich vergeblich - danach zu streben etwas zu erreichen, liquidiere man dieses etwas, oder auch nur die vorstellung davon. es genügt schon die ideelle, ggf. klugscheisserische vernichtung des gegners/gegenübers. was damit gemeint ist erklärt anschaulich folgender
witz: was ist der unterschied zwischen einem böhmischen und einem amerikanischen bauern? wenn der nachbarbauer des amerikaners die fettere sau hat, wird sich der andere bemühen, seine eigene sau so lange zu mästen, bis sie mindestens genauso fett ist wie die des nachbarn. und der böhmische bauer? der würde die sau des nachbarn vergiften ... (frei nach & an dieser stelle herzlichen dank für den hinweis an A.B.)

glück

wenn guter wille, geduld & ausdauer, verstand & bemühen, hartnäckigkeit, beziehungen &/oder macht, angewandte gewalt und skrupellosigkeit oder ähnliches, etc. nicht ausreichen, kann eine portion glück auch nicht schaden.

der wille zur macht
oder: die angst vor ohnmacht

der wille zur macht als sonderform der übersteigerung von N&E: nicht beherrscht werden wollen, sondern lieber über andere herrschen. nichts & niemand soll mächtiger sein als ich, keine/r soll über mir stehen. gewissermassen eine vorsichtsmassnahme: wenn ich der grösste, beste bin, brauch ich niemandem mehr neidig sein. sind mir alle treu ergeben, bin ich auf niemanden eifersüchtig.

wie so vieler übel anlass scheint es der besitz, das (schwer, kaum- oder unerreichbare) eigentum zu sein, das andere ausschliesst und ergo deren groll (selbstredend aus N&E) bewirkt. was wunder, dass da einer (oder zwei) auf die idee kam(en), eigentum einfach abzuschaffen. dann hören sich auch die probleme auf. jedes jedem & jeder mit jedem darf was immer tun und lassen, und keiner ist dem andern böse.
neid ist - so oder so - ein wesentlicher antrieb 'sozialer' (massen-)bewegungen bis hin zu revolutionen & kriegen, egal ob blutig oder samten. nämlich der neid um lebensstandard und macht der oberen. was treibt das unterdrückte volk dazu, nach freiheit, gleichheit & brüderlichkeit zu streben? was wohl hält zugleich die gegner davon ab, solcherlei tendenzen zu goutieren? wurzelt es doch im verlangen nach besserstellung. zuersteinmal freiheit von der unfreiheit, schliesslich die totale freiheit zu handeln, wie man will. angleichung natürlich nicht nach unten, sondern auf höheres niveau, also besser-stellung nicht bloss gegenüber dem bisherigen. je nach möglichkeit & verlauf der entwicklungen kennt das 'besser' nach oben hin ohnehin keine grenzen, wie die historie bis heute immer wieder unwiderlegbar zeigt.

die welt ist böse, jeder giert & geizt, ein jeder kämpft ums 'überleben', keiner gönnt dem andern was. "only the strong survive", evolution: "survival of the fittest". ob diese fittesten die klügsten, stärksten, wie immer besten oder einfach angepasst(est)en (sprich: opportunisten) sind, bleibt fraglich. wir kämpfen zwar schon lange nicht mehr ums reine überleben, um den besten bissen fleisch, sondern bestenfalls um den wärmsten platz am ofen. laut statistik & öffentlichen umfragen geht es uns - ungeachtet einiger details am rande - so gut wie nie zuvor. (wer immer wir sind und wer die anderen, die uns unsern hart erkämpften lebensstandard abspenstig machen oder zumindest teilen und dadurch mindern und gefährden wollen). gerade deshalb jetzt erst recht nicht lockerlassen! wir sind schliesslich zum übermenschen bestimmt, selbst wenn schon frühere versuche, sich diesem ideal zu nähern, kläglich gescheitert sind. daher gilt es aufzumucksen, aufzubegehren, aufzutrumpfen, übertrumpfen, besser als der rest zu sein, sich über sie hinweg zu heben, über sich selbst hinweg zu schweben in höhere gefilde.

motoren

N&E sind ganz wesentliche motivationsfaktoren, somit also motoren jeder gesellschaft beziehungsweise ihrer (weiter-)entwicklung, des fortschritts. motivation zur leistung stammt von einem bedürfnis etwas zu erreichen, was nicht ist.

forschung und entwicklung (im fachjargon abgekürzt 'F&E' resp. engl. 'R&D' für 'research and development') sind nicht nur motiviert von der neugier, auf dinge draufzukommen, die wir nicht wissen oder uns nichts angehen, sondern rauszukriegen, was die anderen wissen und können, um sich mit ihnen zu messen und den standard gegenseitig weiter anzuheben.
wettbewerb - weltbewerb - welterwerb. vom subjektiven zum interesse eines kollektivs erweitert sich das individuelle verlangen auf die grössere, letztendlich globale gemeinschaft, oder zumindest auf teile davon. wer sich mit dem status quo, mit dem, was er/sie hat und ist, zufrieden gibt und nicht willens, den zustand zu verändern, verdirbt das spiel. bremsend. konservativ. reaktionär. bescheiden- & zufriedenheit sind kontra-produktiv, somit in letzter konsequenz asozial, weil der gesamtentwicklung nicht gerade förder-, ergo hinderlich.
alle bereiche des lebens sind erfasst. wirtschaft & wissenschaft, kunst & politik, &&&. alle sind sie durchtränkt von grossen ambitionen, geltungsdrang, wachstum, veränderun, innovation. jeder kleine schritt beflügelt, jeder grosse umso mehr.
nicht: "I am what I am" - auf keinen fall, wo kommen wir da hin! so, wie ich bin, kann/darf/will ich nicht sein und bleiben. zu vieles spricht dagegen, all die verlockungen, so viel ist möglich: seht die idole, die heldinnen & helden, look at the stars! das will ich auch, dort will ich hin, so will ich sein! ich wäre gerne, oh, wie gerne wäre ich, hätte gerne dies & das. was wäre ich, wär ich nicht ich, nicht dies & jenes hätte? ich bin ich und Du bist Du und Du kannst mich!

unersättlichkeit, das ewige streben nach dem superlativ, "genug kann nie genügen", was ist, ist nie genug. was dann? stez das neue, andre wollen, ist viel verlockender. das vergnügen der bereicherung, competition, wettbewerb, kampf & sport sind seit jeher ort tierischem triebe freien lauf zu lassen. die herde kommt & brüllt entrückt, wenn bullen streiten, giert stets nach mehr und kriegt doch nie genug.
konkurrenz ums konkubinat: eitel, brünftig, aufgeblasen streiten sie wie die ferkel um die sau. nur der stärkste bulle kriegt die frau. nur einer darf die herde leiten. der weg als ziel: es geht nicht um den sinn & zweck, das ziel an sich, sondern den weg dorthin, um den prozess hin zu gelangen, die prozession, den kampf darum und den moment des sieges, den (kurzen) triumph, orgasmus des "ich hab's/es ist erreicht", den 'kleinen tod'. "veni, vidi, vici - aleae iactae sunt."

zu Ihrer beruhigung: die bemühungen der werbebranche sind keineswegs umsonst; alle wollen, was keiner braucht. ich habe was, was Du nicht hast, und das kriegst Du (um soundsoviel prozent) billiger, wenn Du es gleich nimmst! felt Dir wirklich was? oder willst Du es nur, weil ... ?
im zeitalter der grenzenlosen verfügbarkeit (noch lange nicht) des überdrusses überdrüssig, alle dinge überflüssig; beneide die bescheidenen, die anspruchslosen, die asketen. wer es sich leisten kann zieht sich - zumindest zeitweilig - zurück oder steigt ganz aus.

steht am ende allen drängens
weniger noch als zuvor;
erst im verlusst sind
alle glücklich/einig
von vorne zu beginnen.

eifer, sucht & ehrgeiz

es wäre manches nicht so schlimm, wenn nicht das wörtchen 'sucht' dran hinge. überhaupt: das hängen an dingen oder menschen ist so eine sache; es muss nicht gleich ein strick sein, lieber das rettende seil, das den gipfelstürmer - den, der nach dem höchsten strebt - im fall des falles vor dem fatalen sturz bewahrt. von vielen süchten werden lang nicht alle gleich als krankhaft angesehen: eifer-, flucht-, schwind-, sehn-, fett-, mager-, fress-, trink-, drogen-, spiel-, sport-, gewinn-, herrsch-, rach-, rauf-, kauf-, unterhaltungs-, fernseh-, musik-, etc. die verlockende versuchung führt uns in verlegenheit: sollen, wollen, dürfen, können oder müssen wir dies oder jenes tun oder nicht? man soll ja nichts unversucht lassen, doch wer manches ersteinmal versucht hat, kann nimmer davon lassen.

ehrgeiz, strebsamkeit, streben nach leistung & erfolg. stolz, ruhm & ehre. wonach sucht sehnend der eifer sucht sich stets ein neues ziel. der eifer findet seine neider, neid sucht sich (s)ein opfer. eifrig sein ist eine tugend, eine hehre eigenschaft, die leider manchmal leiden schafft. von kind an kriegst du eingebläut, ehr-geizig sein wollen zu sollen; systematischer drill, organisierte anstachelung zur unzufriedenheit. nur brave schüler sind erfolgreich, nur eifrige menschen gelangen ans ziel, an welches auch immer: wer steckt das massgebliche ziel? wer setzt den massstab? wenn nur nicht das gegenteil bewirkt wird und der schuss nach hinten losgeht. die suche wird zur sucht, jeder erfolg ein schuss in die venen. such! such! such nur - wer sucht, der findet! wer eifrig, der blendet auch einmal ein suchendes huhn. versuch doch mal dieses oder jenes!? verdammt noch mal!
verzweiflung immer zweiter, ewiger verlierer. hat nun doch eine chance, dem champion voranzuschreiten, dem terminator - undwennschonnur als türöffner und steigbügelhalter, thronvorwärmer aus lust & freude; in serviler verehrung und anbiederung an die mächtigen zwar nicht selbst an die macht zu kommen, doch zumindest ihr endlich nahe zu sein. der lakai des herrschers teilt mit diesem immerhin das herrschaftshaus und manchmal auch sein schicksal.

die geburt der liebe aus dem ungeist der eifersucht

eifersucht zermartert
mir mein herz & hirn;
am liebsten schöss ich gleich mir
'ne kugel durch die stirn.

der einfallsreichtum ist gross, die phantasie kennt keine grenzen, wenn es darum geht mir auszumalen, was hinter meinem rücken vor sich geht, was mein liebster freund oder feind und erzrivale grade ausheckt/tut mich zu betrügen, hintergehen. was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss. was ich mir in grell schillerndsten farben ausmale/einbilde/denken/vorstellen kann, dafür umso mehr! wie treiben sie's, wann & wie oft? man/frau kann nie genügend vorsicht walten lassen, kein verdacht ist übertrieben, jede vermutung angebracht.
nicht geringer ist die vielfalt an möglichkeiten, solchem treiben ein ende zu setzen. die kulturgeschichte, literatur & kunst leben seit jeher davon, film & fernsehen sowieso. der boulevard würde verhungern, wenn nicht täglich neues berichtet werden könnte. speziell in der popmusik, die zu einem nicht unwesentlichen teil von texten zum thema liebe durchdrungen ist, finden sich zuhauf und teils erstaunliche beispiele (im folgenden eine winzige auswahl in dt. übersetzung des autors): "lass deine hände von meinem baby, dieses mädchen gehört mir", "ich säh dich lieber tot mein schatz als mit 'nem andern mann" oder "da geht mein baby/mit ihrem schwarm,/sie ist so glücklich/ich bin so arm."

bei (zwischen-)menschlicher eifersucht (resp. der zuneigung als ihrer fragwürdigen voraussetzung) etwa fragt sich ja grundsätzlich, ob sie kind wahrer liebe ist oder aus purem trieb & geilheit sie nur dem körper gilt?

wollte was, doch nicht zu sehr,
reichte den kleinen finger, nicht viel mehr.
genommen ward die ganze hand
und noch der rest verschlungen.

allein aus der befürchtung, den/die/das begehrte(n) zu verlieren, wächst die zuneigung. solange die gefahr dieses verlusstes nicht besteht, besteht auch weder anlass zur angst noch dazu, (s)ein objekt stärker zu binden als nötig. gerade so viel geben, dass es mehr ist, als die konkurrenz zu bieten hat. begehrte es sicher nicht so sehr, wenn dieses etwas nicht opfer der begierde andrer wär. umkehrung: ich begehrte es noch viel mehr, wenn da bloss ein andrer wär. profit engineering, return on investment: investiert wird/man engagiere sich nur, wo & wenn es nötig ist.
liebe war kaum oder gar nicht vorhanden, bloss eine zweifelhafte gegenseitige zuneigung. erst als diese einer abneigung wich bzw. zugleich zunehmend einer anderen person geschenkt wurde, erwachte eine vermeintliche leidenschaft, steigerte sich das bemühen, interesse zu zeigen oder zumindest vorzutäuschen, welches bis dato nicht oder nicht so klar vorhanden war. nicht, dass mir besonders daran gelegen wäre, die festung zu erobern, geschweige denn daran, die mühsal auf mich zu nehmen, diese in der folge zu halten & verwalten! doch der konkurrenz/dem feind/dem nebenbuhler wollte ich sie um keinen preis überlassen. also konnte ich nicht anders/blieb mir nichts anderes übrig, als sie im sturm zu nehmen (um sie schliesslich eindringlich darauf aufmerksam zu machen, zu beweisen, welcher natur & wie gross meine ambitionen, wie ernst meine absichten nicht sind).

ist diese schlacht einmal gewonnen und die beute mein ...
den teuren schatz hüten & pflegen,
auf dass er nicht entschwinde,
nicht sich entwinde
und sich dem nächsten besten
nebenbuhler an die brust wirft.

die (heilige!) institution der ehe dient - weltweit weitgehend ähnlich - als übereinkommen zur festlegung der monogamie (resp. geordnete polygamie); zwei (oder mehrere) schwören einander die ewige treue, um damit - zumindest formal & offiziell - zu vereinbaren, dass es hinkünftig keinen anlass zur eifersucht geben werde.

genesis invidia/die genetischen wurzeln der misere

am anfang war der neid. nun, nicht ganz am anfang, aber ziemlich. vorher war nur die schöpfung und eine namenlose frau, die aber noch im selben kapitel zugunsten Evas gleich wieder verschwand. dann ward Eva als offiziell bekanntermassen erste frau geschaffen, und schon ging es los:

1. Eva verführte Adam zur erkenntnis. der schöpfer aber konnte nicht ertragen, dass seine neuen geschöpfe nicht mehr blind sondern klug waren und schmiss sie beide aus dem paradies.

nachdem sie mit entsprechenden konsequenzen vom baum der erkenntnis gegessen hatten, erkannte Adam zweimal sein weib, und sie gebar ihm zwei söhne, und weiter gehts:

2. Kain & Abel brachten dem Herrn opfer. Kain vegetarisches vom feld, Abel fleisch. der Herr bevorzugte offenbar zweiteres und schenkte dafür Abel einen gnädigen blick. als Kain aber sah, dass Gott mit seinem bruder liebäugelte, erschlug er diesen. damit fiel Kain erst recht in ungnade. und das war erst der anfang ...

versuch einer deutung

Gott ärgerte sich über sich selbst, weil ihm (gleich am beginn der schöpfung) gravierende fehler unterlaufen waren. um die dadurch deutlich gewordenen defizite seiner vollkommenheit zu kaschieren und aufgestaute (auto-)aggressionen loszuwerden, sich abzureagieren, hat er gleich seine neuen geschöpfe dafür büssen lassen und bestraft/verflucht/mit erbsünde belegt. das eingeständnis eigener schwächen war noch nie die stärke mächtiger herren. ausserdem war er sauer/böse/eingeschnappt, weil die beiden seine autorität missachteten, ihm nicht folgten und gar wagten, sich gegen ihn, ihren herrn, aufzulehnen bzw. ohne ihn auszukommen, da man sich auf ihn ohnehin nicht verlassen konnte, der er nicht herr seiner macht über die schöpfung war. vielleicht gefiel ihm auch einfach nicht, dass seine geschöpfe gar so gut gelungen waren und in paradiesischen zuständen lebten. zudem scheint er vegetarier nicht gemocht zu haben.
in beiden fällen ein klassischer generationskonflikt: die eltern beneiden ihre kinder, weil die es sich gut gehen lassen, während die alten schuften. sprachen die griechen ganz offen vom neid der götter gegen den menschen, macht hingegen die bibel gleich den menschen selbst verantwortlich für das, was seinem herrn missfällt.

die moral von der geschicht: tu nie dem günstling deines herrn etwas zu leide und stoss dich nicht daran, wenn andere bevorzugt (behandelt) werden (solange du am kürzeren ast sitzt)! wenn du schon kein geeignetes opfer bringst, solltest du dich nicht auch noch zu unüberlegten handlungen hinreissen lassen.
eine aktuelle und sehr populäre version dieser hypothese wäre ihre übertragung auf das verhältnis von steuerzahlern und regierung, oder das derzeit äusserst beliebte 'mobbing': wer schleimt sich bei wem und wozu ein? wer kriecht wem in den arsch, und wer fällt drauf rein? wie weit ist derartiges verbreitet, wie oft & gut funktioniert es und macht sich bezahlt?
und wenn der oder die da oben schliesslich mist bauen, müssen andere (die basis, gläubige & gläubiger, wähler, volk & steuerzahler, brave, unschuldige bürger, etc.) es ausbaden. widerstand ist zwecklos. jeder versuch, diesen sachverhalt zu ändern, hätte weitere unannehmlichkeiten zur folge.

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